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Communiqué zur Besetzung und Räumung der Klosterstrasse 14

Posted: June 21st, 2021 | Author: | Filed under: Uncategorized | Comments Off on Communiqué zur Besetzung und Räumung der Klosterstrasse 14

Am 18.6.2021 wurde die Liegenschaft an der Klosterstrasse 14 in Winterthur besetzt, um diese vor dem Leerstand zu bewahren und um ein soziales und kulturelles Zentrum aufzubauen.

Kurz nachdem das Grundstück von den Besetzer:innen betreten wurde, formierte sich die Polizei auf der Autobahnbrücke, die etwa acht Meter oberhalb des Geländes verläuft. Einige der Besetzer:innen gingen auf die Polizei zu, mit der Absicht in den Dialog zu treten. Bevor dieser möglich war, schoss die Polizei ohne Vorwarnung und unkontrolliert von oben mit Gummischrot auf die Menschen hinab. Durch die erhöhte Position auf der Brücke nahm die Polizei bewusst in Kauf, die Besetzer:innen am Kopf und im Gesicht zu verletzen. Drei Personen trugen Verletzungen am Auge davon. Eine Person musste für Abklärungen ins Spital gebracht werden. Im weiteren Verlauf setzte die Polizei eine Tränengaspetarde und Polizeihunde ein. Nachdem 14 Besetzer:innen mehrere Stunden vor dem Haus festgehalten wurden, wurden sie schliesslich abgeführt.

Aus Solidarität mit den Besetzenden gab es anschliessend Aktionen in verschiedenen Schweizer Städten. In Winterthur fand am Freitagabend eine lautstarke Demonstration mit über 100 Menschen statt. Die Demonstrierenden forderten die Freilassung der Gefangenen und kritisierten die Polizeigewalt. Trotz der massiven Repression lassen sich die Besetzer:innen und alle, die sich mit ihnen solidarisieren nicht einschüchtern.

Wieder einmal zeigt sich, dass die Polizei einzig die Interessen der Besitzenden schützt und gewaltsam verteidigt. Dass die Polizei die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit von Menschen leichtfertig aufs Spiel setzt, um Eigentumsrechte durchzusetzen, erstaunt nicht. Dabei schreckt sie nicht davor zurück, die Tatsachen zu ihren Gunsten zu verdrehen. Die am Freitag veröffentlichte Medienmitteilung der Polizei stellt den Ablauf in krassem Widerspruch zum tatsächlichen Hergang dar. Die Gewalt ging vom ersten Moment an von der Polizei aus.

Die Taktik der Tatsachenverdrehung ist weder neu noch selten und hat System. Gewaltsame Polizeieinsätze werden fast immer als Antwort auf vorausgegangene Gewalt und Selbstverteidigung der Polizist:innen dargestellt. Durch diese Falschdarstellung wird sowohl Polizeigewalt, als auch die zunehmende Militarisierung der Polizei legitimiert. Anstatt sich selbst ein Bild vor Ort zu machen, drucken viele Medien lediglich die Polizeimitteilung ab, womit sie ihre Aufgabe als Kontrollinstanz des Staatsapparats vernachlässigen. Zudem schützen sie so rechtswidriges und unverhältnismässiges Verhalten der Polizei.

Die Verhafteten wurden am Samstagabend aus der Haft entlassen. Es wird ihnen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Hausfriedensbruch vorgeworfen.

Die Besetzung am Freitagmorgen hatte die Neubelebung des Hauses zum Ziel. Bereits im Oktober hat das Kollektiv Zensur versucht, ein solches Projekt zu verwirklichen. Die Bausubstanz des damals besetzten Hauses war vom langen Leerstand bereits so geschädigt, dass eine neue Nutzung nicht möglich war. Da die Gründe dieser Besetzung weiterhin bestehen, wollten die Besetzer:innen am Freitag an der Klosterstrasse 14 einen neuen selbstorganisierten Raum für alle schaffen. Das ehemalige Kloster, welches 1833 von der Firma Rieter gekauft wurde, stand nach der Nutzung als Asylunterkunft die meiste Zeit leer. In Asylunterkünften wurden und werden Menschen kontrolliert, eingesperrt und an der Teilnahme an der Gesellschaft gehindert. Ein Gegenentwurf zu diesem unmenschlichen System wird aber gewaltsam verhindert.

Es ist absurd, dass ein Gebäude in dieser Grösse und an dieser Lage leersteht. Das Kollektiv wollte in diesem Haus ein soziales und kulturelles Zentrum erschaffen, welches es allen ermöglichen sollte, Projekte und Ideen gemeinsam zu verwirklichen.

Denn es gibt in Winterthur nach wie vor kaum Räume, in denen kein Konsumzwang herrscht; in denen Projekte verwirklicht werden können, ohne dabei an Profit und Wirtschaftlichkeit gebunden zu sein. In einem System, in dem alles auf Produktivität und Wachstum ausgelegt ist, hat es keinen Platz für Orte, die sich dieser Logik entziehen. Dass selbstorganisierte Räume oftmals auch Treffpunkte für antikapitalistische Arbeit und Vernetzung sind, ist ein weiterer Grund für die Härte, mit der der Staat die Entstehung und Erhaltung solcher Räume verhindert.

Nicht nur der Raum für Projekte fehlt, es fehlt auch an bezahlbarem Wohnraum und der letzte Rest verschwindet zunehmend, insbesondere durch die riesigen Investitionen und Bauvorhaben von Akteur:innen wie der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG), Implenia, Amazon und anderen Scheissvereinen.

Winterthur wurde rund ein Jahrhundert lang stark von der Industrie geprägt. Wie andere Grossindustrielle sorgte Rieter mit einer patronalen Wohnbaupolitik dafür, dass Arbeiter:innen zwar ein Dach über dem Kopf hatten, gleichzeitig aber ein Teil des Lohnes in die eigene Tasche zurückfloss.
Als der Industriesektor in den 90er-Jahren einbrach, verloren Tausende ihre Stelle und Winterthur seine Identität als Schweizer Zentrum der Schwerindustrie. Die Neuausrichtung der Stadt verfolgte von Anfang an ein Standort-Marketing, das offensiv Firmen und gute Steuerzahler:innen anwerben sollte. So wurden nicht nur die riesigen Industriebrachen, sondern auch stadteigene Baulandareale wie beispielsweise das Arch-Areal an Private verkauft und in Konsumflächen und Wohnraum im mittleren und oberen Preissegment verwandelt. So brachte der Niedergang der Industrie grosse Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in den traditionellen Arbeiter:innenquartieren in Töss und Tössfeld mit sich. Private Investor:innen, die die Arbeiter:innenhäuschen den Industriellen abkauften, sorgten dafür, dass die Mieten stiegen. Während in den ruhigeren Quartieren im inneren Tössfeld und im alten Kern von Töss der Mittelstand einzog, werden die Häuser an der verkehrsreichen Zürcherstrasse und an der Autobahn fast ausschliesslich von schlecht verdienenden Menschen bewohnt. Diese Segregation von Arm und Reich gibt es zwar auch in anderen Quartieren, in Töss ist sie jedoch besonders krass ausgeprägt.

Trotz steigendem Umsatz baut Rieter seit 2013 kontinuierlich Arbeitsplätze ab. Geplant ist, die gesamte Produktion in Winterthur einzustellen. Die Fertigung wird in Werke in den Billiglohnländern Tschechien, China und Indien ausgelagert. Auf der 30‘000 Quadratmeter grossen Fabrikbrache an der Klosterstrasse soll ein Kunden- und Technologiezentrum sowie ein Verwaltungsgebäude entstehen.

Wie auf dem Blog zensur.blackblogs.org nachzulesen ist, stellen sich die Besetzer:innen gegen die Stadtaufwertung und die damit in Verbindung stehende Verdrängung von sozial und strukturell benachteiligten Menschen. Mit politischen Aktionen wie der Besetzung der Klosterstrasse 14 verstehen sie sich als Teil des Kampfes für eine Stadt, die den Menschen gehört – nicht dem Kapital.

 

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